Autor Dietmar Steinbrede, Dipl.Theol., ist Religionslehrer und aktiv in Lehrerfortbildung und Schulpastoral an der Käthe-Kollwitz-Schule in Offenbach. Das Schulprogramm ist gegen Portokosten erhältlich bei: Käthe-Kollwitz-Schule, Buchhügelallee 90, 63071 Offenbach. Der Autor ist interessiert an Kontakten zu Religionslehrern an Berufsschulen, die das "mehr" wagen. Steinbrede@t-online.de
Anfangs gab es ein Kollegium, das sich in Fachbereichen berufsbezogen auf ein Schulprogramm einzustellen begann. Doch die Frage blieb: Wo bleibt der allgemeinbildende Unterricht? Wo bleiben die gemeinsamen pädagogischen Ziele und Intentionen einer ganzen Schule?
Da machte sich eine kleine Gruppe stark: evangelische und katholische ReligionslehrerInnen, die mit ihrer Arbeit nicht in einer Ecke wohlwollender Duldung bleiben, sondern profiliert arbeiten und sagen wollten: »Wir gehören ganz wesentlich dazu, wenn wir über Schulkultur, Lernorte als Lebensorte etc. diskutieren.« Es gilt also:
Der Fachbereichsleiter wurde in die Steuerungsgruppe (Schulprogramm der Schule) entsandt, damit war ständiger Informationsfluss über die Arbeit sämtlicher Fachbereiche gewährleistet. In verschiedenen Fachbereichen wurde im Rahmen von pädagogischen Tagen und Konferenzen mitgearbeitet, um die jeweiligen Kooperationen darzustellen (RU in Kooperation mit Projekten in der Teilzeitberufsschule, in Vollzeitklassen, in besonderen Bildungsgängen ...). Darüber hinaus wurde im Fachbereich Religion unter folgenden Fragestellungen die Arbeit beschrieben:
a) Ziele und Visionen von Schulkultur in einer konkreten Schule:
b) Fachbereich Religion und Schulpastoral
Was man nach dieser Lektüre ( mit anderen) tun kann
Dieser Bericht fußt auf konkreten Erfahrungen und Prozessen in einer Berufsschule. Hier ein paar Tipps, wie man seine eigenen Prozesse zu »Religion im Schulprogramm« methodisch angehen könnte:
Gegenwart: - Worauf sind wir stolz? Was sind unsere Stärken? Worauf können wir bauen? (= S: satisfactions - zufriedenstellende Bestandsaufnahme)
Zusammengesetzt nennt man dieses die SOFT-Methode (sie eignet sich auch gut zu Evaluations - und Überprüfungsprozessen). Ja - und das Ganze ist sehr viel Arbeit, da sollte man ab und zu zusammen (sich) feiern. Nur Mut!!
Etwa 1350 junge Menschen, überwiegend Schülerinnen, aus über 50 Nationen, aus vielen Kulturen und Religionsgemeinschaften, arbeiten und lernen friedlich in unserer Berufsschule miteinander. Sie spiegeln die soziale Situation der Stadt Offenbach, die geprägt ist vom Übergang vom Industriestandort zum Dienstleistungsstandort, mit sozialen Verwerfungen und einem hohen Anteil (über 30%) nicht-deutscher Mitbürger. Etwa 90 Lehrkräfte ermöglichen schulische und berufsbezogene Grundqualifikationen, insbesondere in der Arbeit mit benachteiligten und behinderten Schülerinnen und Schülern; in Berufsfeldern wie Textil, Körperpflege, Ernährungsberufe, Sozialberufe; aber auch in Lehrgängen zur Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt.
Im Gedenken an die große Künstlerin Käthe Kollwitz, die die sozialen Wirklichkeiten ihrer Zeit erfasste, um Anstoß zu geben zu Humanität, Gerechtigkeit und Solidarität, wollen wir als Schulgemeinde wirken. »Gemeinsam sind wir stark« heißt unser Motto.
Der Anspruch von »Religion im Schulprogramm«, insbesondere die Arbeit zweier hauptamtlicher Religionslehrer (evangelischer Pfarrer und katholischer Religionslehrer im Dienst des Bistums Mainz) an der Schnittstelle Schule - Arbeitswelt - Privatleben junger Menschen in Offenbach, wird in drei Feldern sichtbar: Religionsunterricht - Interne Kooperationen/Lernfelder - Schulpastoral. Zunächst einmal jedoch, als Basis, bearbeiten sie das »klassische« Feld: 1-2 Std. RU pro Klasse in der Woche:
Zusammen mit den Schülerinnen und Schülern werden konkrete Themenfelder aus den jeweiligen Rahmenlehrplänen für den RU ausgewählt. Dieses geschieht nach einer Kennenlernphase und Klärung der Ziele des RU an der Berufsschule. vier Schritte kennzeichnen die jeweilige Bearbeitung (didaktischer 4er-Schritt):
1. Sammeln und erste Deutungen von Vorerfahrungen/bisheriges »Lebenswissen«
2. Dahinter liegende Sinn- und Wertfragen entdecken
3. Antworten suchen aus Gegenwart und Überlieferung: Christliche Botschaft und Überlieferung, andere Religionen und Traditionen erforschen/kennen lernen
4. Konsequenzen ziehen: Entscheidungen, persönliche Handlungsperspektiven
Kooperationen innerhalb der Käthe-Kollwitz-Schule sind seit vielen Jahren bewährt. Im Folgenden seien einige benannt:
Projekt zu Berufs- und Lebensplanung:
In Klassen der besonderen Bildungsgänge (BVJ) werden in einer dem RU angeschlossenen Stunde junge Leute in schwierigen Lebensssituationen begleitet (Abbau von Demotivationen; Aufbau realistischer Lebens- und Berufsziele, Einzelberatung.) Beide hauptamtlichen RU-Kräfte sind in Beratung geschult und in vielen Feldern berufserfahren. Projektunterricht Politik und Religion in der Fachoberschule f. Sozialwesen: Fächerverbindendes Projektarbeiten an den Themen »Armut - besonders in Offenbach (Beitrag der Kirchen in »Wärme und Essen Projekten) und »Judentum in Offenbach« (Judentum und Christentum begegnen sich) verliefen äußerst erfolgreich und wurden ausführlich dokumentiert. Fächerverbindender Unterricht:
z.B.: Anthropologie und Religion in der Ausbildung von Sozialassistenten; menschliche Grundfragen (Menschenbilder, Sinnfragen, Identitätsprozesse) werden von zwei Seiten beleuchtet.
Einzelberatung in Lebensfragen:
"Die beiden hauptamtlichen Kräfte bemühen sich, fair und verschwiegen in Einzelgesprächen Mitgliedern der Schule zur Verfügung zu stehen, die momentan für sich Hilfe brauchen.
AG Kirche und Gesellschaft in Mittelamerika:
Die Käthe-Kollwitz-Schule hat eine Schulpartnerschaft mit Nicaragua. In einer AG, die über die normalen Schulangebote hinausgeht, werden für Interessierte Kenntnisse der spanischen Sprache, der Geschichte und Gegenwart christlicher Kirchen in Mittelamerika vermittelt (auch Arbeitseinsätze in Sommerferien).
Eintägige Angebote
Jahrelange gute Erfahrungen haben wir in der Zusammenarbeit mit der Regionalstelle für kath. Jugendarbeit in Offenbach. Der Referent dieses Hauses gestaltet mit dem katholischen Religionslehrer eintägige Besinnungstage für Klassen meditative Tage unter den Leitthemen »Wüstentag« und »Mein Lebensbaum«. - Schulend-Tage (Von Abschied und Neubeginn) für Abschlussklassen bieten Gelegenheit, gemeinsame Jahre zu überdenken und in die Zukunft hineinzudenken.
Wochenendangebot: »Trauminsel«
Der evangelische Pfarrer lädt in Zusammenarbeit mit dem Jugendpfarramt zu einem Wochenende ein, um Zukunftswünsche und Hoffnungen kreativ zu gestalten, mit jungen Menschen Gemeinschaft zu erfahren und zu erspüren, wie kostbar es ist, seine Hoffnungen und Wünsche zu teilen.
3. Warum machen wir diese Arbeit: Religion im Schulprogramm
Es geht uns um die Schulkultur - Schule ist mehr als ihre Wissensanteile, Schülerinnen und Schüler sind mehr als nur »Wissensempfänger«. Aus originär christlicher Position heraus fragen wir mit unseren multi-kulturellen, multi-religiösen Lerngruppen und Klassen ausdrücklich nach dem Sinn und Grund unseres Lebens, nach Modellen gelingenden, solidarischen Lebens. Dieses Erwecken und Wachhalten existenzieller Fragen soll zu persönlichen Entscheidungen in Bezug auf Lebensgestaltung und Überzeugungen mitbefähigen. Somit geht es bei dem Beitrag »Religion im Schulprogramm« um die Profilierung der Arbeit an der gemeinsamen Schulkultur, um Persönlichkeits- und Identitätsbildung - sowohl kulturell als auch personal -, um ethische, religiöse und soziale Bildung, damit der Lernort Käthe-Kollwitz-Schule auch zum Lebensort und Glaubensort werden kann.