Wenn der Tod in den Schulalltag einbricht - Beistand durch Schulpastoral
Wenn der Tod in den Schulalltag einbrichtBeistand durch Schulpastoral in allen bayerischen Bistümern
Konzept für Zusammenarbeit mit Notfallseelsorge vorgesehen
München/Freising (ok) Der Tod, der unerwartet in den Schulalltag einbricht, war das Thema einer zweiwöchigen Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer an bayerischen Schulen, die sich in der von allen bayerischen Bistümern getragenen "Schulpastoral" engagieren. Die zuständige Fachbereichsleiterin im Erzbischöflichen Ordinariat München, Gabriele Rüttiger, sagte zum Abschluss der Fortbildung in Freising, immer wieder würden Schulen mit dem plötzlichen Tod von Lehrkräften, Schülern oder Schülereltern konfrontiert. Manchmal breche der Tod auch auf dramatische Weise in den Schulalltag ein, etwa durch Unfälle oder durch extreme Verbrechen wie die Amokläufe in Erfurt und Freising. Vor allem Religionslehrer seien dann gefragt, manchmal auch überfordert.
Um Lehrer und Schüler fachkundig zu begleiten und zu beraten, aber auch in akuten Situationen bei der Bewältigung von Konfliktsituationen mitzuhelfen, gibt es nach Angaben Rüttigers in allen bayerischen Bistümern Referenten für Schulpastoral. Im Schulreferat des Erzbischöflichen Ordinariates München arbeitet seit 2002 ein eigens geschaffener Fachbereich für Schulpastoral. Das Konzept für diese Einrichtung war bereits in den 70er und 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts in kirchlichen Schulen erfolgreich erprobt worden. Seit 1998 wird es auch an öffentlichen Schulen mit guter Resonanz durchgeführt. Christliche
Grundüberzeugung und Spiritualität trügen so in vielfältiger Weise dazu bei, den Schulalltag menschenfreundlich zu gestalten, sagte Rüttiger.
An der zweiwöchigen Weiterbildung hatten 15 Religionslehrer aller Schulgattung aus ganz Bayern teilgenommen. Sie befassten sich mit Krisenseelsorge im Schulbereich, vor allem bei plötzlichem Tod. Parallel zu dieser Weiterbildung werden nach Angaben Rüttigers derzeit "Einsatzstrukturen entwickelt, die eng mit der diözesanen Notfallseelsorge verbunden sind". Die Weiterbildung war im Auftrag der Schulreferenten aller bayerischen Diözesen und in Kooperation mit Notfallseelsorgern aus den Bistümern, aber auch mit Psychologen und Spezialisten für Trauerarbeit vorbereitet worden. Allein in der Erzdiözese seien ca. 30 Lehrerinnen und Lehrer in allen Schulgattungen beruflich in der Schulpastoral engagiert. Für sie sei die Schule nicht nur ein Ort bloßer Wissensvermittlung, sondern vor allem Lebensraum von Kindern und Jugendlichen.
Für die Schulpastoral wurden in der Erzdiözese schwerpunktmäßig vier regionale Schülerzentren eingerichtet: in München, Rosenheim, Landshut und Traunstein. Das Zentrum in Landshut, wo die Grenze zwischen der Erzdiözese und der Diözese Regensburg mitten durch die Stadt verläuft, wird von beiden Bistümern getragen. Am 10. November wird ein eigener Raum für das Schülerzentrum in Traunstein mit der kirchlichen Segnung eröffnet. Allein im Schülerzentrum München werden jährlich 10.000 Schülerinnen und Schüler aller Schulgattungen begleitet, in Rosenheim gut 7.000. (wr)Ordinariatskorrespondenz München
Ergänzend dazu eine Meldung des Pressedienstes der Diözese Eichstätt:
„Seelsorger an der Grenze des Lebens“ - Helfer in dramatischen Situationen: Notfallseelsorger kümmern sich direkt nach einem Unfall um die Angehörigen
Eichstätt. (pde) - Der Tod kommt manchmal gänzlich unerwartet: Ein 25-Jähriger stirbt beim Autounfall. Eben saß er noch am Familientisch, plötzlich ist er tot. Auf dem Nachhauseweg von der Schule bricht ein Kind zusammen, sinkt leblos zu Boden. Es erstickt an seinem Erbrochenen, kriegt keine Luft mehr. Jede Hilfe kommt zu spät, die Eltern sind fassungslos. Ein naher Angehöriger nimmt sich das Leben - niemand hat etwas von seinem Leid geahnt. Damit die Hinterbliebenen solche Ausnahmesituationen des Lebens bewältigen und überstehen können, gibt es professionelle Hilfe. Dazu gehört die Notfallseelsorge in der Diözese Eichstätt. Vor zweieinhalb Jahren wurde diese Einrichtung gegründet. Der Religionspädagoge Harald Trampert (36) koordiniert von Eichstätt aus ein Team von mehreren Dutzend Helfern. Priester und Gemeindereferenten sind dabei, aber auch ehrenamtliche Mitarbeiter. Sie scheuen sich nicht, dem Tod ins Auge zu sehen - und ermöglichen den Angehörigen, angemessen Abschied zu nehmen. Trampert sagt: „Wir sind Seelsorger an der Grenze des Lebens.“ Für Domkapitular Rainer Brummer, den Leiter des Bischöflichen Seelsorgeamtes Eichstätt, gehört dieses Angebot als praktizierte Nächstenliebe unabdingbar zu den Aufgaben der Seelsorge.
Die Notfallseelsorger sind zu jeder Tag- und Nachtzeit einsatzbereit und kommen, wenn sie gerufen werden. Meistens werden sie von Einsatzkräften wie Polizei und Feuerwehr alarmiert, die am Unfallort mit schrecklichen Situationen konfrontiert werden und merken: „Jetzt sollte jemand da sein.“ Dann nehmen die Notfallseelsorger ihre Tasche, steigen ins Auto und fahren dorthin, wo die Not besonders groß ist. „Akutphasen“ nennen das die Experten: Der Verstorbene liegt noch auf der Straße, die Angehörigen stoßen dazu - jetzt ist psychologische und seelsorgerische Unterstützung dringend notwendig. Vollkommen unerheblich ist übrigens, ob der Tote oder die Angehörigen katholisch sind - wenn sie gebraucht werden, sind die Helfer zur Stelle.
Seine Aufgabe sieht Trampert unter anderem darin, Ruhe in eine hochdramatische Situation zu bringen. „Wir versuchen, die Situation zu entschleunigen.“ Einsatzkräfte laufen hin und her, Blinklicht leuchtet auf - und mitten im Geschehen stehen die schockierten Angehörigen. „Die stürzen in dem Moment in ein ganz, ganz tiefes Loch.“ Halt geben in einer an sich haltlosen Situation - das ist jetzt das Ziel der Seelsorger. Manchmal ist auch der Ortsgeistliche schon zur Stelle. Im Bistum Eichstätt arbeiten Pfarrseelsorge und Notfallseelsorge eng zusammen, fungieren als „Netzwerk der Hilfe in einer Situation, wo eine andere Wirklichkeit ganz plötzlich spürbar wird“, so Domkapitular Brummer.
Weil aber die Pfarrer in ihren Gemeinden immer mehr Aufgaben übernehmen müssen und vielleicht gerade nicht erreichbar sind, sind die Einsatzkräfte froh, wenn sie sich immer auch an die Notfallseelsorger wenden können.
Ganz konkret läuft deren Arbeit so ab: Sie kommen zum Unfallort, stellen sich bei den Familienangehörigen vor und sagen: „Ich bin jetzt da für Sie.“ Die Helfer machen sich selbst ein Bild von dem Toten. Das heißt: Sie gehen hin, decken ihn nach Rücksprache mit Angehörigen und Einsatzkräften noch einmal auf, waschen ihm vielleicht das blutverschmierte Gesicht. Den Angehörigen stehen sie als Gesprächspartner zur Verfügung. „Einfach nur da sein, das ist unsere wichtigste Aufgabe“, sagt Trampert.
Besonders schlimm ist es, wenn ein Kind stirbt. „Das ist für den Menschen das Grausamste, was er erleben kann.“ Die ganze Familie verliert sich. „Da zerbricht das ganze Leben.“ In solchen Situationen zur Stelle sein zu können, sieht Trampert auch als große seelsorgerische Chance. „Aufgabe der Kirche ist es, für die Menschen in den dunkelsten Stunden ihres Lebens da zu sein.“ Manchmal verblüfft es ihn fast, welch großes Vertrauen ihm die Menschen entgegenbringen - unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht. „Die kirchliche Seelsorge wird als sehr positiv bewertet.“
Der Notfallseelsorger unterstützt die Angehörigen noch am Unfallort beim Abschiednehmen von dem Toten. Er fragt beispielsweise: „Wollen Sie ihr Kind noch einmal sehen?“ Es kann passieren, dass der Vater am Unfallort erst entsetzt ablehnt, dann aber doch mitkommt und schließlich sein totes Kind noch einmal in die Arme schließt. Wenn man dann noch mit einfachen, schlichten Worten ein Gebet spricht, hat die Situation plötzlich etwas Ergreifendes, das selbst Polizisten und Feuerwehrleute innehalten lässt.
Ab und zu bekommt Trampert noch Wochen nach dem Einsatz einen Anruf von einem Angehörigen, der sich für seine Hilfe bedankt. Manchmal gelingt es dem 36-Jährigen sogar, den Anrufer zur Teilnahme an einer der vom Malteser Hilfsdienst angebotenen Trauergruppen zu bewegen - dann hat Trampert das Gefühl, auch langfristig geholfen zu haben. Mit Betreuungseinrichtungen wie Netzwerk Leben oder dem sozialpsychiatrischen Dienst der Caritas arbeitet das Referat Notfallseelsorge ebenfalls eng zusammen.
Neben der Arbeit bei akuten Notfällen hat die Notfallseelsorge in der Diözese Eichstätt noch eine weitere Aufgabe: die Betreuung der Einsatzkräfte. Denn auch hinter den Uniformen stecken Menschen, denen manche Situationen nahe gehen. Das Referat Notfallseelsorge bietet einige Tage nach dem Unfall Einsatznachgespräche an, bei denen Feuerwehrmänner, Polizisten und THW-Helfer ihre Erlebnisse aufarbeiten können. Themen wie „Stressmanagement“ oder „Umgang mit dem Tod“ werden auch auf Ausbildungslehrgängen angesprochen. Einkehrtage für Einsatzkräfte gab es ebenfalls schon - die Resonanz war groß. „Die Rettungskräfte leisten unendlich wichtige Arbeit“, betont Trampert. „Wir als kirchliche Seelsorger wollen sie dabei unterstützen.“
Manchmal begleitet der Notfallseelsorger die Angehörigen nach dem Unfall noch mit nach Hause, gibt eventuell Ratschläge, wie die nächsten Tage zu strukturieren sind. „Wenn man spürt, dass sich die Familie ein Stück weit gefangen hat, dann wird die Trauer zu einer intimen Sache. Dann gehe ich wieder.“ Der Ortsgeistliche wird von nun an die Familie weiter betreuen.--