Compassion oder wie ich lerne, die Menschen zu lieben
Neues Sozialpraktikum der 10. Klassen am Marianum Buxheim Compassion ist zugleich Name und Programm eines Schulprojekts sozialen Lernens, das im Schuljahr 2002/03 auch am Gymnasium Marianum Buxheim begann. In der Schulwoche vor den Pfingstferien leisteten die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen des Marianums eine Woche Dienste in einer sozialen Einrichtung wie z. B. Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, Kliniken, Beratungsstellen usw. Die Schulpastoral griff damit die Notwendigkeit unserer Zeit auf, im Bereich der Werterziehung über den Rahmen des "normalen" (theorielastigen) Unterrichts hinaus die Schüler mit konkreten Lebenssituationen zu konfrontieren, die hautnah zu persönlicher Auseinandersetzung mit den Fragen nach Leid, Mitmenschlichkeit und Sinn des Lebens anregen. Es ging um die Fähigkeit, die Welt mit den Augen anderer sehen zu lernen, um Empathie als der Grundlage für Respekt und Wohlwollen.
Im Unterschied zu anderen Schulpraktika, bei denen die Berufsorientierung im Vordergrund steht, wollte das Marianum ein Praktikum anbieten, bei dem der Gedanke "Compassion - Menschsein für andere" im Vordergrund steht. Die Leitfrage des Praktikums war also nicht: "Wie kann ich konkrete Berufserfahrung sammeln, die mir die Wahl des Ausbildungszieles erleichtert?", sondern: "Wie kann ich im Umgang mit Menschen in verschiedenen (auch belastenden) Situationen erfahren, dass ich gebraucht werde, und wie kann ich lernen, soziale Verantwortung wahrzunehmen und mit meinen eigenen Bedürfnissen in Einklang zu bringen?"
Ein zeitlich begrenztes Sozialpraktikum kann die genannten Ziele natürlich nur anbahnen. Andererseits können auch ansatzhafte Erfahrungen dazu führen, Wege weiter zu beschreiten, d.h. hier an der Gestaltung einer solidarischen Zukunft der Gesellschaft mitzuarbeiten. Die Schüler wurden auf ihre Tätigkeiten in den sozialen Einrichtungen vor allem im Religionsunterricht vorbereitet. Aber Unterricht in der Schule kann über das Leben und die Begegnung mit Menschen, die aus welchen Gründen auch immer auf die Hilfe anderer angewiesen sind, nur aufklären. Die entscheidenden Erfahrungen, bei denen Emotionen eine große Rolle spielen, kann er aber nicht vermitteln.
In der Nachbereitung nach den Pfingstferien hatten deshalb die Schüler die Möglichkeit, ihre oft einschneidenden Erfahrungen zu reflektieren und so in ihren persönlichen Lebensentwurf zu integrieren. Viele begegnen in diesem Praktikum einer sozialen Wirklichkeit, die sie so direkt nicht kennen. Mit dieser Verknüpfung von unterrichtlicher Sensibilisierung und Erarbeitung, praktischer Tätigkeit und anschließender Reflexion trägt das Marianum dazu bei, Ängste abzubauen, den Menschen in sozialen Einrichtungen unbefangen und selbstbewusst zu begegnen und soziale Kompetenzen zu entwickeln und vertiefen.
Auch die Medienwelt nahm regen Anteil an diesem neuen Projekt. So sendeten das TV-Allgäu und der Bayerische Rundfunk eine Fernseh- bzw. Radioreportage (siehe Compassion Marianum 2003). Auch der Bischof von Lüttich (Belgien) zeigte in einem persönlichen Brief Interesse an diesem Projekt im Hinblick auf seine katholischen Schulen.
Das letzte Wort sollen jedoch die Schüler haben. Sie äußerten im Radiointerview: „Die Pflegefälle, die gar nichts mehr allein können, schocken schon irgendwie.“ ... „Es ist schon beeindruckend, was manche Leute durchmachen müssen.“ ... „Was Neues, ungewohnt, die Arbeitszeiten so lang.“ ... „Eigentlich schon gut, dass man mitkriegt, wie es im Beruf ist.“ ... „Es ist eine völlig neue Erfahrung fürs Leben.“
Erhard Staufer (Verantwortlicher für Schulpastoral und Sozialpraktikum am Marianum)
Information:
Compassion geht auf eine Initiative der Deutschen Bischofskonferenz zurück und wurde in unterschiedlichsten deutschen Schultypen von Prof. Dr. Lothar Kuld (Pädagogische Hochschule Karlsruhe) wissenschaftlich begleitet. Die durch Pisa nicht gerade verwöhnte deutsche Schulkultur errang damit sogar einen internationalen Erfolg, als es 2002 von der Europäischen Elternvereinigung mit dem Alcuin-Award für innovative Schulprojekte ausgezeichnet wurde.