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Dietmar Steinbrede (im Nov.2002)

Plädoyer für Schulpastoral an staatlichen Schulen als zwingende Notwendigkeit.

Überlegungen zu Gesprächen mit Diözesanen Entscheidungsstellen im Bistum Mainz
-angesichts der Lektüre der Ergebnisse der Shell-Studie Jugend 2002 , Hg: Deutsche Shell Holding GmbH, Hamburg 2002-11-02
- angesichts meiner Erfahrungen im Lebensraum Kirche und Lebensraum Schule
...
1. Situation der Jugend in Deutschland lt. Shell –Studie 2002
Unter dem Untertitel :“Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus“
kann der interessierte Leser etwas über die Religiosität von Jugendlichen und
jungen Erwachsenen finden. Der Glaube, genauer, der Unglaube ist bei dieser Untersuchung
- im Gegensatz zur vorherigen in 2000 – zwar kein eigenes Thema.
Wo aber Lebensgefühl und Werteordnung von Jugendlichen erfragt werden, ist das Ergebnis
in Bezug auf Stellenwert des Glaubens erschreckend.
Auf einer Tabelle mit 24 Items – wichtig für das Leben sind ... - erscheint der Gottesglaube auf Platz 20. Noch unwichtiger sind „Geschichtsstolz“, „Politikengagement“ ,“Althergebrachtes“ und „Konformität“.
Ganz oben dagegen rangieren „ Freundschaft, Partnerschaft“ und “ Familie“, dahinter
klassische Werte wie „Gesetz und Ordnung“, „Sicherheit“, „Fleiß und Ehrgeiz“.
Diese klassischen, bürgerlich- konservativen Werte erfahren eine sehr hohe Aufwertung
gegenüber früheren Studien.
Abgewertet dagegen werden Heiraten,Aktien,Bioläden,Bürgerinitiativen,Drogen, politisches Engagement. In einer ersten,vorsichtigen Wertung sage ich: Jugend stellt gesellschaftl. Grundgerüste zur Zeit nicht in Frage, sondern sucht pragmatisch-nüchtern den eigenen Vorteil: Was bringt es mir ? ist die Grundfrage von Ego-Taktikern zwischen Opportunismus und Bequemlichkeit, die sondierend abwarten . Positiv gesehen: Diese Taktik ermöglicht eine angemessene Antwort auf die Unsicherheit erzeugende phasentypische Offenheit der Lebensphase Jugend, deren Übergang in verantwortungsvolles Erwachsenenalter immer mehr zeitlich gelängt wird angesichts der Konkurrenz – und Leistungsgesellschaft. Freiräume sind da zur Selbstverwirklichung, das aber in wirtschaftlich riskanterer Zeit heute.

2. Der Gottesglaube unter jungen Menschen in Deutschland in Bezug auf Wertewelt
Immerhin noch 38% beantworten die Frage nach dem Gottesglauben als relativ wichtig.
Diese liegt aber stark an muslimischen Ausländern und einer Minderheit christlich interessierter Jugendlicher in Westdeutschland. In den östlichen Bundesländern ist der
Gottesglaube empirisch fast nicht nachweisbar.
Die Frage der Wichtigkeit der Religiosität und der Tradition zeigt einen signifikanten Unterschied zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen/ bzw. deutschen Jugendlichen, die ausländischer Herkunft sind.
Diese Minderheit von religiösen Jugendlichen wird die gesamtgesellschftl. Entwicklung
nicht verändern: Religion und nationale Tradition bildeten lange den Wurzelgrund der
sozialen Normen in Deutschland/Europa. Seit dem 19.Jh. schwindet diese Grundlage
zugunsten eines sozialen Normensystems, das familiär tradiert wird.
Es braucht eine große Reife und einen hohen Überzeugungsgrad, sich als Jugendliche
überhaupt mit religiösen Fragen auseinanderzusetzen. Kirchliche Untersuchungen (Erzbistum München/Freising) zeigen, das Jugendliche aus dem gutbürgerlichen Bildungsmilieu sich auf kirchliche Angebote einlassen . Doch Verbände wie die CAJ sind zahlenmäßig äußerst schwach vertreten. Auch auf dem Land häufen sich die Ausfälle, die unübersehbaren großen Pfarrverbände und Seelsorge-einheiten entfremden Menschen, fehlenden Jugendpfarrer und nicht mehr existente Jugend-kapläne zeigen das Defizit , keine streitbaren Anwälte der Jugend vor Ort und in der Pfarrei präsent zu haben.

3.Konsequenzen: Der junge Christ ist Single-Christ

Es kommt zu einem dramatischen Verfall kirchlicher Jugendkultur (beobachtbar für mich schon seit 12 – 15 Jahren) . Die mehrheitlich einzige liturgische Erfahrung junger Leute
beim unregelmäßigem Sonntagsgottesdienst ist das Nicht-verstehen und Nicht-Verstanden-
werden, wenn eine Liturgie für Ältere in der kirchlichen Sprache sie mit Vorstehern und
Mit-Feiernden zusammenbringt, die alle Nähe des Rentenalters sind. Die mittlere Generation ist liturgisch längst ausgefallen. So fehlt dem Glauben der Jungen die Gefährtenschaft .
Weltjugendtage,Kirchentage,Mini-Wallfahrten, sind für die meisten Interessierten die einzigen Erfahrungen mit einer jungen, weltumspanndendenKirche.
Die Nachhaltigkeit solcher Events bleibt für mich sehr fraglich.
Von den Jugendlichen, die sich lt. Shell-Studie überhaupt in ein tatkräftiges Engagement einbinden lassen, erreichen die Kirchen ca. 19%. Das ist der 4 Rang hinter Vereinen,schulischen Angeboten und Jugendorganisationen – immerhin.
Kirche gilt Jugendlichen mehrheitlich als eine Organisation, die bevormundet, besserwisserisch und langweilig ist.
Bruchstelle der Entfremdung ist nach wie vor die Sexualität. Werte wie Treue,Partnerschaft,Ehrlichkeit werden bei Jugendlichen hoch gehandelt – gleizeitig wollen sie in sexuellen Dingen biblische Auffassungen und Ansichten des Lehramtes nicht gelten lassen. Alle Versuche , hier Brücken zu schlagen ,sind gescheitert.
Nach Untersuchungen der Forschungsstelle für Sexualwissenschaft und Sexualpädagogik der Uni Koblenz-Landau hat fast 25% der Mädchen im Jahr nach ihrer ersten Menstruation mehr als 50mal Gescghlechtsverkehr. Mehr als 20% der 14-jährigen haben in 2001 beim „1.Mal!
nicht verhütet (Teenager-schwangerschaften deutlich erhöhte Anzahl).

4. Plädoyer für Pastoral vor Ort - Schulpastoral

Junge Menschen sind in Schule erreichbar, am wenigsten im Bereich der Territorialpfarrei.
In Verabschiedung völlig überholter Bilder von „Kirche „ und „Jugend“ plädiere ich dafür,
auf junge Leute fördernd und fordernd zuzugehen.a) Zeitlich befristete soziale und diakonische Projekte zeigen an meiner Schule Erfolg ( Altersheim-Projekt-BS-Klassen , Hilfsprojekt für Schulen in unserer Partnerschaft, Kleiderprojekt für Hochwasseropfer).
b)Jugendliche sollen ruhig mit dem Sperrigen und Widerständigen des christlichen Glaubens
konfrontiert werden – Bildung ist neben der Persönlichkeitsbildung auch Werte – und Visions-vermittlung: Meditationstage, Besinnungstage, Orientierungstage, Lerntage ...
- da werden Fragen wach, da werden erste Erfahrungen m. Glauben möglich ,
c) die dann auch liturgisch in Sprache und Spiel gesetzt werden können – vom Kerzeaufstellen bis zum multireligiösen Wort-gottesdienst.

5.Folgen für Gespräche zu Schulpastoral innerhalb des Bistum Mainz / Ordinariat
Es braucht viel religiöse Phantasie,viel Idealismus, höchste geistige und spirituelle Anstrengungen, um die erschreckenden Trends zum Teil zu stoppen.
Alle kirchlichen Stellen (auch Finandezernat,Personaldezernat,Seelsorgeamt,.....)
sind aufgefordert, sofort und unter Hintenanstellung sämtlicher sonstiger wichtiger
Fragen und Probleme das Thema Schulpastoral auf die Tagesordnung zu setzen: Als
Top-aktuell,brennend wichtig, sofort . Unsere Zukunft steht auf der Tagesordnung !!
Und : Hört uns an, unsere Anliegen – wir sind die Brandmelder, nicht die Feuerteufel!!
Liebe Kirche – buchstabiert mit uns die Schulpastoral neu !!!!