Werteunterricht kontra Religion?! Pressemeldungen und Berichte
Rede in der Aktuellen Stunde am 13.4.2005 Religionspolitik des Berliner Senats und Grundgesetz
von Dr. Hermann Kues MdB
(Pressemitteilung CDU/CSU-Bundestagsfraktion)
Die Absicht des Berliner Senats, getragen von SPD und PDS, ab dem Schuljahr 2006 den ohnehin freiwilligen Religionsunterricht der Kirchen und Religionsgemeinschaften abzudrängen und faktisch zu ersetzen durch eine staatlich organisierte Wertevermittlung, ist für die Union ein Anschlag auf die Bekenntnis- und Gewissensfreiheit in unserem Lande.
Das geht weit über die Berliner Landespolitik hinaus.
Es ist eine Kampfansage an den Grundkonsens unserer pluralen Gesellschaft, wenn z.B. Schülerinnen und Schüler, die religiös gebunden sind, keine Chance haben, sich vom staatlich verordneten Werteunterricht abzumelden.
Nach unserem Verständnis muss der Staat Freiheiten garantieren und darf sich nicht anmaßen, Werte zu normieren.
Religionsfreiheit ist eines der vornehmsten Menschenrechte. Die Legitimation des Religionsunterrichtes im geltenden Verfassungsrecht folgt aus der Verpflichtung des freiheitlich demokratischen Staates. Wegen der weltanschaulichen Neutralität des Staats und seiner Verantwortung für das Schulwesen hat er dafür zu sorgen, dass religiöse Bezüge als Erfahrungsgut der Schülerinnen und Schüler nicht ausgeblendet werden, sondern in das auf
ganzheitliche Persönlichkeitsbildung ausgerichtete Unterrichtsprogramm fachlich einbezogen werden.
Lassen Sie mich Bischof Wolfgang Huber zitieren: "seelenlose ,Religionskunde' kann den Religionsunterricht nicht ersetzen. Man braucht ein eigenes Verhältnis zu Gott, zur Nächstenliebe und gelebtem Glauben, wenn man andere darin unterrichten will. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Staates, das Christentum aus unseren Schulen zu verdrängen. Das
verletzt die Pflicht des Staates zu religiöser Neutralität. Es widerspricht auch dem demokratischen Miteinander."
In einer Erklärung des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken heißt es: "Wir möchten, dass in unserem Land die Menschen auch künftig die Frage nach dem Sinn ihres Tuns und Lebens, nach unserer Zukunft und nach Gott stellen und dass sie christlich-religiöse Antworten darauf kennen und eine religiöse Identität entwickeln können".
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich sage Ihnen ganz offen, das was sich hier in Berlin abspielt, riecht nach DDR. Bei der PDS wundert es mich nicht. Nur, dass 77 % der Berliner SPD auf dem Landesparteitag sich diesem religionsfeindlichen Geist, der dahinter steckt, anschließen, das macht mich auch im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit fassungslos. Das ist ein gefährlicher und verantwortungsloser Irrweg!
Es werden jetzt kräftig Nebelkerzen geworfen. Auch wenn ich das Engagement des stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden Wolfgang Thierse ausdrücklich anerkenne, wird deutlich, dass seine Meinung eine Minderheitenposition darstellt. Herr Müntefering sagt, Kulturpolitik sei Sache der Länder, tiefer gehende Zusammenhänge versucht er auszublenden. Der Höhepunkt ist der Regierende Bürgermeister Wowereit, der mit vielen Worten erklärt, dass sich eigentlich doch gar nichts ändere. Wie schrieb heute eine Zeitung:
das ist entweder Ignoranz oder Dummheit.
Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf das Umfeld dieser Entscheidung zu werfen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller geht davon aus, dass künftig die Zuschüsse, die ohnehin in den letzten Jahren für den Religionsunterricht erheblich gekürzt wurden, weiter gekürzt werden können, da voraussichtlich künftig weniger Schülerinnen und Schüler daran
teilnehmen werden (FAZ v. 6.4.05).
Die Lehrerin Monika Buttgereit, SPD-Landesvorstandsmitglied und Mitglied des Abgeordnetenhauses bemerkt öffentlich: ich möchte den Katholiken nicht absprechen, dass sie auch Werte haben. aber das sind nicht die Werte, die ich mit Schülern diskutiert haben will" (Spiegel, 11.4.05).
Das ist eine deutliche Kampfansage!
Auffällig sind auch die weitreichenden Kontakte des rot-roten Senats zum atheistisch-humanistischen Verband, der zwar nur 3.000 Mitglieder in Berlin hat, also so viel wie eine durchschnittliche Kirchengemeinde, der aber außergewöhnlich großzügig vom Senat gefördert wird. 54.000 EUR aus Beiträgen und Spenden, also selbst erwirtschaftet, stehen Zuschüsse aus Landesmitteln pro Jahr in Höhe von 582.000 EUR gegenüber.
Der Verband beschäftigt sich bereits jetzt damit mit Hilfe runder Tische die Entwicklung eines Konzeptes für das Fach LER in Berlin zu begleiten.
Ist es reiner Zufall, dass es enge personelle Verflechtungen gibt? Kultursenator Thomas Flierl, im Senat zuständig für Kirchen und Religionsgemeinschaften, ist ebenso Mitglied wie die stellvertretende Vorsitzende der PDS-Fraktion.
Toleranz setzt zunächst die Selbstvergewisserung des eigenen Standpunktes voraus. Religion, Kultur und Lebensweise in einem vermeintlichen neutralen Unterrichtsfach zusammen zu pferchen, erzeugt keine Toleranz, sondern fördert Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit.
Die Kirchen und die jüdische Gemeinde haben unsere volle Unterstützung im Einsatz für das Fach Religion als Wahlpflichtfach.
Pressemeldung, 14.04.2005, Zentralkomitee der deutschen Katholiken CDU und ZdK lehnen Berliner LER-Pläne ab
Die CDU Deutschlands und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) lehnen die Berliner Pläne zur Einführung eines "Lebenskunde"-Unterrichts ab. Das war ein Ergebnis eines Gesprächs zwischen dem Präsidium der CDU und dem Präsidium des ZdK das unter Leitung der CDU-Vorsitzenden Dr. Angela Merkel und des ZdK-Präsidenten Prof. Dr. Hans Joachim Meyer am Mittwochabend im Konrad-Adenauer-Haus stattfand.
Die Entscheidung des Berliner Senats betrachten CDU und ZdK als bedenkliche Entwicklung. "Es ist völlig unpassend, dass in der deutschen Hauptstadt der Religionsunterricht durch Regierungshandeln ausgehöhlt wird", so die CDU-Vorsitzende. "Wir sehen die Tendenzen zu einem falsch verstandenen Laizismus mit großer Sorge", erklärte ZdK-Präsident Meyer.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit unter anderem durch eine Reform der Sozialsysteme betrachten CDU wie ZdK als entscheidende Herausforderung. Größtes Problem des Sozialstaates sei die Ausgrenzung von immer mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt. "Vor allem Jugendliche bekommen immer weniger die Möglichkeit, selbstverantwortlich ihre Chancen wahrzunehmen", so ZdK-Präsident Meyer. Die Union betonte die Notwendigkeit von Wachstum: "Gerade im Interesse der jungen Menschen brauchen wir mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse; die bekommen wir nur mit mehr Wirtschaftswachstum", so der CDU-Arbeitsmarktexperte Karl-Josef Laumann.
Weitere Themen des dreistündigen, in freundschaftlicher und offener Atmosphäre geführten Gesprächs waren Fragen des Lebensschutzes, der Familienpolitik, der Entwicklungspolitik und der kulturellen Identität der Europäischen Union. CDU und ZdK sind sich einig, dass die von der Union vorgeschlagene privilegierte Partnerschaft für die Türkei das richtige Konzept ist, um die langfristigen Interessen sowohl der EU als auch der Türkei zu sichern.
-------------------------------------------------------------------------------------
Zum Thema auch ein Kommentar aus der FAZ Sonntagszeitung sowie der dazu gehörige Artikel aus der FAZ Sonntagszeitung.
DER KOMMENTAR:
Rot-Rot mobbt die Religion
VON MECHTHILD KÜPPER
Wenn Kirchen Marketingberater hätten, wären die Besucher des SPD-Bildungsparteitags am Samstag an ambulanten Kircheneintrittsstellen vorbeigeführt worden. Der Ertrag wäre beachtlich gewesen; so grotesk waren die Argumente, mit denen einerseits nach Werteunterricht gerufen, andererseits aber abgewehrt wurde, daß Christen, Juden, Muslime oder auch der Verband der sogenannten Humanisten, der in Berlin als Staatskirche auftritt, Religion als ordentliches Schulfach lehren können. Woher aber die SPD das Selbstbewußtsein bezieht, sie habe etwas so Kostbares zu vermitteln, daß es alle erreichen muß, während die Kirchen ruhig weiterhin in Randstunden außerhalb des Lehrplans von Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit künden sollen, blieb auch an diesem Tag unerklärt.
Richard Schröder, der Sozialdemokrat aus dem Osten, wirft der Berliner SPD vor, sie habe das Godesberger Programm, mit dem die SPD 1959 eine Volkspartei geworden ist, geistig noch nicht nachvollzogen. Am Samstag, in der Kongreßhalle auf dem Alexanderplatz, gewann man den Eindruck, sie sei nicht einmal bei Rosa Luxemburg angekommen. Daß Freiheit immer die Freiheit der Andersdenkenden sei, zitierte eine Delegierte. Sie hatte Ähnlichkeiten zwischen "katholischen Werten" und denen der SPD benannt. Müntefering sind diese geläufig, aber gegen den Kampfhund-Atheismus der Berliner SPD benötigen solche Beobachtungen Geleitschutz.
Für das neue Fach gibt es weder Rahmenpläne noch ausgebildete Lehrer. Dennoch folgte die SPD in dieser Frage der PDS-Fraktion, die gesellschaftspolitisch bei Rot-Rot die Führung übernimmt. Zuerst verbannte sie mit dem Kopftuch auch Kreuz und Kippa aus dem öffentlichen Dienst, nun zementiert sie die Randlage des Religionsunterrichts. Diese Koalition gewinnt ein Profil.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.04.2005, Nr. 14 / Seite 14
DER ARTIKEL:
Werte, Religion und die Berliner SPD Lehrpläne sollen ohne Christentum auskommen
Von Mechthild KüpperBerlin. Zu Recht hat die Diskussion um den von der Berliner SPD geplanten staatlichen Pflichtunterricht in Werten ihren "Bildungsparteitag" am Samstag dominiert. Was im Leitantrag so alles analysiert und gefordert wird, ist nicht der Erwähnung wert; selbst seine Fürsprecher wiesen darauf hin, daß es sich um "Visionen" und Absichten auf lange Sicht handle. Beschlossen aber hat der Parteitag einen Knüller: Möglichst im Sommer 2006 soll von der 7. Klasse an ein nicht abzuwählendes Fach Werteunterricht eingeführt werden. Religion aber soll weiterhin kein reguläres Schulfach sein, es soll von den als Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften anerkannten Gruppen zwar in den Schulen, doch außerhalb des Lehrplans unterrichtet werden. 166 Delegierte stimmten dafür, 51 dagegen.
Die Parteitagsbesucher kamen morgens durch ein Spalier von Demonstranten, die sich für ein ordentliches Schulfach Religion einsetzten. Etliche Redner - Bildungssenator Böger, Bundestagspräsident Thierse, die ehemalige Bundesfamilienministerin Christine Bergmann - forderten die Einführung eines Wahlpflichtfachs Philosophie/Ethik oder Religion, um den Schülern so eine andere Wahl als "Religion oder Eisdiele" zu geben. "Unsere Verfassung verbietet, daß sich der Staat eine Wertebevormundung anmaßt", sagte Thierse. Die "religionsfeindliche Art der Diskussion" wurde beklagt, es wurde gefragt, warum es sich die Berliner SPD "so schwer macht" und nicht das Brandenburger Wahlpflicht-Modell wählt, das kürzlich das Bundesverfassungsgericht unterbreitet hat. Es werde Vielfalt propagiert; doch auf dem Bildungsparteitag sei von Einheitsschule und verpflichtendem Werteunterricht die Rede, während über Privatschulen abwehrend gesprochen werde.
Bürgermeister Wowereit, der Partei- und Fraktionsvorsitzende Müller und die meisten Delegierten halten dagegen den staatlichen Werteunterricht für einen Fortschritt. Der Delegierte Tilmann Fichter fragte vergeblich, was denn "die Werte der Berliner SPD" seien, die im nächsten Jahr Pflichtfach werden. Die Mehrheit der SPD will ein Fach, "von dem sich muslimische und katholische Kinder nicht abmelden können". Fundamentalismus, so eine Delegierte, finde man heute nicht nur in einer Gruppe, sondern "in der katholischen Kirche, bei schwäbischen Pietisten und George Bush". Wowereit fragte in einer bejubelten Rede, warum die Kirchen "das Mädchen aus der Türkei, den evangelischen Jungen aus Kreuzberg und den Atheisten aus Hohenschönhausen voneinander fernhalten" wollten; sie gemeinsam zu unterweisen bedeute "Vielfalt statt Separation". Die evangelische Kirche, die "gesellschaftspolitisch immer ein Verbündeter gewesen" sei, forderte er auf, den Staatskirchenvertrag mit Berlin zu unterschreiben. Landesbischof Wolfgang Huber hatte gesagt, ohne eine "akzeptable Formulierung für den Religionsunterricht" werde der Vertrag nicht geschlossen. "Eltern müssen das Recht haben, ihre Kinder von einem Fach abzumelden, das den Grundsätzen von Frau Buttgereit folgt", sagte Huber. Monika Buttgereit gehört dem Landesvorstand der Berliner SPD an und hat kürzlich erklärt, es gebe gewiß katholische Werte, doch eigneten sie sich nicht zur Erörterung in der Schule.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10.04.2005, Nr. 14 / Seite 7